Denkschrift zur Überwaldbahn

13.06.2012

Denkschrift zur Überwaldbahn


In ihren Aussagen zu den Gemeindewahlen hat die FDP immer wieder auf diese Problematik hingewiesen und sich eindeutig für die Bahnaktivierung ausgesprochen.

„… den Erhalt der Bahnlinie Wald-Michelbach- Weinheim hält die FDP für unabdingbar!“ ( Gemeindewahl 1989)

„ …der ÖPNV… muss mittelfristig Vorrang vor dem Individualverkehr haben. Wir fordern eine bessere Anbindung von Wald-Michelbach an den Großraum Bergstraße und Mannheim.“ ( Gemeindewahl 1997)

„Wir fordern daher vordringlich ein Konzept für den ÖPNV. Als Grundlage soll das Nahverkehrsgutachten dienen, das der Kreis für die Weschnitztal- und Überwaldbahn in Auftrag gegeben hat. Der Gutachter hat ein Konzept vorgelegt, das eine vorurteilsfreie Prüfung hätte erwarten lassen. Die große SPD/CDU- Kreiskoalition (in ihrem Schlepptau die sog. „Freien Wähler“) hat sich jedoch jedes weitere Nachdenken erspart und die mögliche Reaktivierung der Überwaldbahn … kurzerhand abgelehnt.“
(Gemeindewahl 2001 )

„Reaktivierung der Überwaldstrecke … bringt Konsumenten und Touristen für die heimische Wirtschaft.“ „ … bringt Überwälder Arbeitnehmer in die Metropolregion Rhein- Neckar“.
( Gemeindewahl 2006)

Auch der Kreisvorstand der FDP Bergstraße hat unsere Vorstellungen aufgegriffen und stets unterstützt.

Sie fanden ihren Niederschlag in den Vereinbarungen über die Kreistagskoalition aus CDU, FDP und FW für 2001 – 2006. Es heißt dort u.a. (S.15):
„ Erstellung eines integrierten Bus-Bahn-Nahverkehrskonzepts für die Region Weschnitztal- Überwald mit den Eckpunkten:

- Taktverkehr,

- Möglichst umsteigefreie Verbindung Odenwald-Mannheim und Mannheim – Odenwald,

- Intelligente Anbindung des Busverkehrs.“

Ein inhaltlich identischer Passus findet sich in den Koalitionsvereinbarungen für die Wahlperiode 2006- 2011 (s.12).

Das Ergebnis ist ernüchternd: Ein Fortschritt in Richtung Wiederinbetriebnahme ist bislang nicht festzustellen; Landrat Wilkes hat seit seinem Amtsantritt 2003 vier Jahre verstreichen lassen und die von ihm selbst mit beschlossenen Abmachungen beharrlich ignoriert.

Im Vorfeld der Landratswahl 2003 konnte durchaus die Hoffnung auf eine zukunftsweisende Lösung aufkeimen. Der Kandidat Wilkes gab sich nämlich sehr ÖPNV- bewusst, gerade auch im Hinblick auf die Schiene, so z.B. in einer CDU- Veranstaltung in Birkenau.

Andere Äußerungen des Kandidaten Wilkes

zur Überwaldbahn:

„…rechnete vor, dass sich der Schienenverkehr volkswirtschaftlich gesehen durchaus rechnen würde, da der Schwerlastverkehr erheblich mehr Kosten für den Straßenbau verursache“. Er forderte eine „Trennung von Netz und Betrieb“ bei der DB (OZ, 08.06.02).

Zur Situation der Pendler auf der Main-Neckar-Bahn:

„Dies muss eine Chefsache des neuen Landrats werden, um zu vermeiden, dass die Lage des Kreises an der Schnittstelle zwischen Rhein-Main- und Rhein-Neckar- Region gar zu einem Standortnachteil wird.“ Wer nur auf die Kosten für die Bestellung von Zügen verweise, mache eine volkswirtschaftlich nicht vollständige Rechnung auf (Starkenburger Echo, 14.02.03).

Zum ÖPNV:

„ Für den Kandidaten der CDU, Matthias Wilkes, dürften die Finanzen nicht als „ Totschlagargument“ dienen, denn die ökologischen Schäden, die der Straßenverkehr alljährlich verursache, würden nicht eingerechnet. Bei 60% mehr Güterverkehr in den kommenden zehn Jahren könne sich die Verkehrsdichte auch als Standortnachteil auswirken, weshalb man auf den ÖPNV setzen müsse“ (OZ, 14.02.03).

In deutlichem Gegensatz zu dieser für den SPNV scheinbar aufgeschlossenen Haltung des Kandidaten stehen Äußerungen von Wilkes als amtierenden Landrat, speziell zur Überwaldbahn.
„Der Kreis Bergstraße sieht die Chance für die Erhaltung der Überwaldbahntrasse im touristischen Rahmen mit einem Rad- und Wanderweg. Mit dem durch das Büro für Industriearchäologie in Darmstadt zu erstellenden Gutachten erhoffen wir uns klare Aussagen, ob diese Vision zu realisieren sein wird. Von Seiten des Kreises Bergstraße sollte daher alles unternommen werden, das Denkmal „Überwaldbahn“ für die Nachwelt zu erhalten. Eine Reaktivierung, die in Anbetracht der vorhandenen Infrastruktur einem Neubau gleichkommt, scheidet zum gegenwärtigen Zeitpunkt … aus“ (Schr. Vom 2.6.05 an Gerhard Molzahn, IG Pro Schiene).

Dieses Gutachten (in Auftrag gegeben lediglich mit dem Ziel touristischer Streckennutzung!) wurde, da es positive Passagen über die Wiederbelebung des Schienenverkehrs enthielt, zur „Überarbeitung“ zurückgegeben und im Übrigen bis heute nicht veröffentlicht.

„… für ihn (Wilkes) sei die einzig vernünftige Lösung dieser Radweg. „Das wäre für die Region der Knaller und eine unglaubliche touristische Aufwertung für den Überwald.“ (OZ, 16.08.05)“

Es erwies sich bald, dass es sich bei diesem „Knaller“ um einen Rohrkrepierer handelte. Nun soll die Draisine die Rettung bringen: „ Die Einrichtung eines Draisinenverkehrs auf der traumhaften Strecke der Überwaldbahn wäre ein touristischer Quantensprung für das Weschnitztal und den Überwald.“ Er appellierte „mit Herzblut an alle Beteiligten“, denn darin läge „eine Riesenchance, von der der ganze Odenwald profitieren könnte“ (Frage: Warum nicht gleich ganz Hessen?) (OZ, 16.12.06)

Die Äußerungen und Handlungen des Landrats zeigen eine auffällige Diskrepanz zu seinem Verhalten vor seiner Wahl 2003. Damals konnte man noch hoffen, einem den Erfordernissen eines modernen ÖPNV aufgeschlossenen Politiker zu begegnen.
In seiner Amtszeit ist er bisher Zeugnisse dieser Modernität schuldig geblieben; stattdessen verbeißt er sich in kostspielige „Prestigeobjekte“, die ohne erkennbaren Allgemeinnnutzen sind. Hätte er das gleiche „Herzblut“ für den SPNV spüren lassen, würden auf der Überwaldbahn schon längst wieder Züge fahren.

Es ist unerfindlich, weshalb der Landrat sich vehement gegen die Reaktivierung der Überwaldbahn stemmt, ja nicht einmal bereit ist, die Chancen und Kosten einer modernen Schienenanbindung des Überwaldes zu diskutieren und durch ein geeignetes Ingenieurbüro oder ein Universitätsinstitut seriös ermitteln zu lassen. Die Beispiele zahlreicher in Deutschland in den letzten Jahren reaktivierter und teilweise seit Jahrzenten stillgelegter Strecken können ihn offensichtlich nicht zum Nachdenken bewegen. In fast allen Fällen lag das Fahrgastaufkommen über den Prognosen, vielfach sehr deutlich. Auch für die Überwaldbahn hatte das Große-Gutachten in Verbindung mit einer Modernisierung der Weschnitztalbahn ein nennenswertes Fahrgastpotential aufgezeigt. Zudem sollte eine Anbindung der Züge nach Mannheim vorgesehen werden. Aus politischen Gründen wurde 2000 das Gutachten von der Damaligen Kreistagsmehrheit von SPD und CDU nicht zielgerichtet diskutiert und verschwand in der Schublade. Begründet wurde die Ablehnung mit zu hohen Kosten.
Seither sind mehr als sieben Jahre vergangen, und er Zustand der Trasse und der Bauwerke strebt unaufhaltsam einem Zustand zu, der eine Sanierung unbezahlbar macht. Nun will der Landrat, nachdem er das zunächst euphorisch gepriesene Radwegkonzept auf der Bahntrasse ad acta gelegt hat, den Überwald mit einer millionenteuren Draisinenbahn beglücken. Dazu hat er für 100.000 Euro ein Gutachten erarbeiten lassen, das für einen Draisinenbetrieb 6Mill. Euro an Investitionen vorsieht, davon 3,2 Mill. Für die bauliche Instandsetzung der Strecke. (OZ, 20.11.07).

Dieses gründlich und detailliert ausgeführte Gutachten zeigt einerseits die Schäden und den fortschreitenden Verfall der Strecke, andererseits aber auch die Verantwortung der Deutschen Bahn und der Politik, die diesem Verfall jahrelang tatenlos Vorschub geleistet haben. Es ist evident, dass eine frühzeitige Sanierung mit beträchtlich weniger Mittelaufwand zu realisieren gewesen wäre.
Es ist also durchaus zu begrüßen, dass Erhalt und Sanierung der Strecke überhautp ins Blickfeld der Politik geraten. Zu bemängeln ist jedoch, dass der Umfang der Untersuchung strikt auf touristische Nutzungsmöglichkeiten der Strecke beschränkt wurde, ohne auch einen erneuten Regelbetrieb mit zu berücksichtigen. Der Mehraufwand hierfür hätte sich vermutlich in Grenzen gehalten, da die Untersuchung auch die Möglichkeit von Dampfzug- Sonderfahrten umfasste.